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Bei Depressionen denkt man in erster Linie an eine Krankheit von Frauen, aber auch Männer leiden durchaus an Depressionen. Depressionen bei Männern sind seltener und sie zeigen ein etwas anderes Erscheinungsbild. Wann muss man denn auch bei einem Mann an Depressionen denken? Und brauchen Männer bei Depressionen spezielle Hilfe? Was sollte ich als Betroffener tun? Wie kann man mit Betroffenen umgehen?

 

Gastbeitrag von Andrea Hillenbrand

Depressionen bei Männern – gibt es das?

Seltener – aber vor allem anders

Depressionen gelten eher als Frauenkrankheiten und werden bei Frauen häufiger diagnostiziert. Niedergeschlagenheit, Freudverlust, Antriebsmangel, Schlafstörungen, Grübeln, Selbstabwertung, Appetitverlust und lebensmüde Gedanken gehören zu den klassischen Symptomen bei Depressionen. Betroffene sind schwerer oder gar nicht mehr in der Lage, ihren Alltag zu meistern. Manche schleppen sich gerade noch so in die Arbeit, für mehr ist keine Energie mehr da.

Depressionen werden bei Frauen fast doppelt so oft diagnostiziert wie bei Männern. Zum einen sind Männer tatsächlich seltener betroffen, es werden aber auch depressive Erkrankungen bei Männern übersehen. Die klassischen Symptome sind bei ihnen weniger stark ausgeprägt und es gibt einige Besonderheiten.

Wenn beim Beschwerdebild jedoch der Betroffene selbst, seine Angehörigen und auch die behandelnden Ärzte (wenn „Mann“ überhaupt zum Arzt geht) nicht an Depression denken, kommt es auch nicht zur Diagnose und damit auch nicht zur nötigen und passenden Behandlung.

 

Was ist bei Depressionen bei Männern möglicherweise anders?

„Männer saufen, bringen sich um, Frauen heulen“

Wenn Frauen leiden, dann sind sie recht gut in der Lage, sich mit ihrem Leiden mitzuteilen und zeigen, wie schlecht es ihnen geht. Sie nutzen soziale Unterstützung, weinen sich bei der Freundin oder der Schwester aus, oder müssen auch im Arztgespräch weinen, so dass ein vorliegendes Problem offensichtlich wird. Männer hingegen neigen dazu, sich (noch mehr) zurückzuziehen. Sie sind tendenziell schon nicht die großen Redner im Bereich Gefühle und Befinden, wenn es ihnen gut geht. Wenn es ihnen aber schlecht geht, sie belastet sind, fällt es ihnen oft noch schwerer, dies zu zeigen, es anzusprechen, sich Hilfe zu holen. Es scheint mit einem verinnerlichten Männerbild von Stärke nicht so gut vereinbar zu sein. So versuchen Männer, die an depressiven Symptomen leiden, oft, es selbst zu bewältigen, z.B. durch den Einsatz von Alkohol, sozusagen als Selbstmedikation. Mehr hierzu im Blogbeitrag “Erfolgreich und unter Druck: Alkohol zur Stressbewältigung ist eine Lösung mit Gefahren“.

Männer, die unter Depressionen leiden, zeigen oft eine größere Reizbarkeit und aggressives Verhalten. Das Umfeld ist oft überrascht und auch verletzt, wenn der sonst so liebe und geduldige Kerl nun schon länger so aufbrausend und schroff ist. Schon Hildegard von Bingen beschrieb bei der männlichen Depressivität den Zorn und die Gereiztheit. Sie erleben sich mehr als Opfer und fühlen sich schlecht behandelt. Während depressive Frauen mehr zur Selbstanklage neigen, herrscht bei Männern oft ein starkes Gekränkt sein vor.

Das nagende Gefühl der Kränkung, den Versuch, es selbst zu regeln, die stärkere Impulsivität mit Aggressionspotential, den Rückzug und das Fehlen von Entlastungsmöglichkeit führen bei Männern auch mit dazu, dass es bei Depressionen bei Männern deutlich häufiger zum Suizid kommt. Umso wichtiger ist es, dass auch Depressionen bei Männern erkannt werden und eine geeignete Behandlung erfolgt.

 

Auch bei körperlicher Symptomatik an Depressionen denken

Depressionen machen sich bei Männern oft durch vielfache körperliche Beschwerden bemerkbar. Das kann ganz unterschiedlich aussehen: Magenbeschwerden. Verdauungsprobleme, unterschiedlichste Schmerzen, bis hin zum Hörsturz.

Ganz wie der Fotograf & Schriftsteller Ulrich Schaffer es ausdrückt:

„Geh Du vor,“ sagte die Seele zum Körper,
„auf mich hört er nicht.
Vielleicht hört er auf Dich.“ 

„Ich werde krank werden,
dann wird er Zeit für Dich haben“,
sagte der Körper zur Seele. 

 

Behandlung wirkt! Ansatz an den männlichen Ressourcen!

Leider tun sich Männer schwerer als Frauen, sich Hilfe zu suchen und einen Arzt aufzusuchen. Was sehr bedauerlich ist, denn die Behandlungserfolge von Depressionen bei Männern sind ebenso gut. Männer sind mit therapeutischer Hilfe bei Depressionen sogar zufriedener als Frauen. Das Geschlecht des Therapeuten bzw. Therapeutin scheint dabei keine entscheidende Rolle zu spielen, es ist also im Wesentlichen egal, ob der an Depressionen erkrankte Mann bei einem männlichen oder weiblichen Therapeuten Hilfe sucht.

Als erster Ansprechpartner bietet sich dabei auch immer der Hausarzt an. Wichtig ist hier aber, ihm offen zu sagen, was los ist und was sich verändert hat am eigenen Befinden. Auch mögliche Belastungen im Berufsalltag, wie fehlende Wertschätzung im Job oder Umstrukturierungen, oder im Familienleben, ein Neugeborenes, erkrankte oder alte Eltern, sind hier wichtige Hinweise. Nur was angesprochen wird, kann für die richtige Einschätzung der Situation und die Wahl der richtigen Hilfemöglichkeit genutzt werden.

Bei leichten bis mittelschweren Depressionen ist das Mittel der Wahl eine ambulante Psychotherapie. Erst bei mittelschweren bis schweren Depressionen kann eine stationäre Behandlung notwendig sein.

In der Therapie kann man sehr gut mit den „typisch männlichen“ Ressourcen wie Kämpfertum, Mut, Aktivität, Rationalität und Handlungsorientierung arbeiten. Dies sind alles Kraftquellen, über die Männer tendenziell verfügen. In der Therapie können diese wieder hervorgeholt werden. Männer sind Macher, gute Problemlöser, kämpfen sich durch. Das kann „Mann“ auch für die eigene Gesundung einsetzen.

 

Habe ich eine Depression? Hat mein Mann eine Depression?

Ein erster wichtiger Schritt ist das Erkennen von möglichen Depressionen bei Männern. Im Idealfall schaue ich als Betroffener hin, bin ehrlich mir selbst gegenüber. Öfter noch werde ich als Psychotherapeutin von Ehefrauen kontaktiert, die sich um ihren Partner sorgen, und gerne wissen möchten, woran sie erkennen können, ob ihr Mann möglicherweise an Depressionen leidet.

 

Als (Selbst-)Check für eine mögliche Depression beim Mann könnten diese Fragen dienen:

  1. Erlebe ich in letzter Zeit weniger Freude, fühle mich perspektiv- und hoffnungslos?
  2. Fühle ich mich in letzter Zeit gekränkt und ungerecht behandelt, und komme von diesem Gefühl nicht mehr weg?
  3. Bin ich in letzter Zeit reizbarer, werde aggressiv und trinke mehr Alkohol, um mit meiner momentanen Situation klarzukommen?
  4. Habe ich in letzter Zeit mehr körperliche Beschwerden?

Sollten Sie eine oder mehrere dieser Fragen angesprochen haben, empfehle ich Ihnen, sich an Ihren Hausarzt, einen Facharzt für Psychiatrie oder an einen Psychotherapeuten zu wenden.

 

Wie gehe ich damit um, wenn ich denke, mein Mann könnte Depressionen haben?

  1. Sprechen Sie in einer ruhigen Minute Ihre Beobachtungen und Ihre Sorge an.
  2. Bieten Sie Information und Ihre Unterstützung bei der Hilfesuche an, aber lassen Sie die Verantwortung und das Handeln beim Betroffenen, auch wenn er (erstmal) nichts unternimmt.
  3. Machen Sie sich klar, dass Sie ihn nicht aufheitern, retten und nicht zum Therapeuten „tragen“ können.
  4. Wenn Sie Sorge haben, dass Ihr Mann sich das Leben nehmen will, dann sprechen Sie auch diese Sorge direkt an. Keine Angst, Sie können damit nichts Schlimmes auslösen. Im Gegenteil: Betroffene sind oft erleichtert, wenn Sie über die bedrückenden Ideen sprechen können.

 

Wie kann ich gegensteuern, damit ich gar nicht erst in Depressionen rutsche oder damit es nicht schlimmer wird?

Um Gegenzusteuern und etwas für sich selbst zu tun, empfiehlt es sich, die ungünstigen Mechanismen zu erkennen und umzukehren. Auch ein starker Mann kann nicht alles ertragen. Nehmen Sie Ihre Belastungen ernst! Sie müssen es nicht alles alleine hinkriegen. Wo können Sie sich aussprechen, sich Unterstützung holen? Wenn Kränkungen und Verletzungen an Ihnen nagen, üben Sie sich im Verzeihen und Loslassen. Sollte Ihnen das nicht alleine gelingen, holen Sie sich therapeutische Hilfe.

 

Mehr zum Thema

Das folgende Buch möchte ich Ihnen ans Herz legen, wenn Sie als Betroffener oder als Angehörige mehr über Depressionen bei Männern erfahren möchten:

„Männer weinen nicht: Depression bei Männern Anzeichen erkennen – Symptome behandeln – Betroffene unterstützen“ von Constanze Löffler, Beate Wagner und Manfred Wolfersdorf

 

Mut zum ersten Schritt

Ich möchte Ihnen Mut machen, liebe Männer, Depressionen ernst zu nehmen und sich Hilfe zu holen. Mut heißt, etwas zu tun, obwohl es schwer fällt, obwohl es Überwindung kostet. Tun Sie etwas für sich – rechtzeitig!

 

Andrea Hillenbrand

 

Quellen:

Braukhaus, Wollburg & Langs (2013): Der benachteiligte Mann? Analysen zur (Gleich-) Behandlung von Männern und Frauen mit Depressionen. Verhaltenstherapie, 2013, 23(2), 74-79

Möller-Leimkühler (2015): Gut getarnt ist halb gewonnen? Depression bei Männern. In: Franz, Matthias, Karger, André (Hrsg.). Angstbeißer, Trauerkloß, Zappelphilipp? Seelische Gesundheit bei Männern und Jungen (S.88-104). Götttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015

Wolfersdorf, Schulte-Wefers & Schaller (2008): Männer-Depression/Männer-Suizid. Klinische psychiatrisch-psychotherapeutische Aspekte. Suizidprophylaxe 35, S.195-199

 

Über die Autorin

Andrea Hillenbrand, geb. Salewsky, ist Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxis in Wiesbaden. Ihre fachliche Heimat als Therapeutin bildet die Individualpsychologie nach Alfred Adler und Rudolf Dreikurs. Sie sammelte gut ein Jahrzehnt lang Erfahrung in der Suchttherapie in der Saaletalklinik Bad Neustadt, bevor sie von 2011 bis 2015 die Institutsambulanz der Wiesbadener Akademie für Psychotherapie (WIAP) leitete, eine der größten psychotherapeutischen Ambulanzen Deutschlands, und dort Psychotherapeuten ausbildete. Seit 2015 ist sie in eigener Privatpraxis in Wiesbaden niedergelassen und bietet individualpsychologische Beratung, Psychotherapie und Lehre an. Im Hörfunkprogramm von HR1 gibt sie Tipps und Hilfestellungen zu psychologischen Themen.

 

 

Profilfoto Andrea Hillenbrand

 

 

Infos zu ihr und ihrer Arbeit finden Sie

auf ihrer Homepage:

www.andrea-hillenbrand.de

 

 

 

 

 

P.S.: Wie hat Ihnen der Beitrag meiner Kollegin gefallen? Hat er Ihnen Mut gemacht, rechtzeitig das Gespräch und die Hilfe zu suchen? Ich kann mich ihrer Erfahrung nur anschließen. In meinen unterschiedlichen Settings in Therapie, Beratung, Coaching sowie Training erlebe ich immer wieder Männer, die nicht erkannt haben, dass sich eine Depression entwickelt, oder sich nicht getraut haben, dies rechtzeitig jemandem anzuvertrauen. Gleiches gilt für die Angehörigen.

 

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Herzlichst Ihre Sabine Machowski

 

P.P.S.: Was meinen Sie hierzu? Haben Sie sich oder eine näherstehende Person bei dem Beitrag wieder erkennen können? Oder befürchten Sie, kurz vor einer Depression zu stehen? Was hat der Beitrag bei Ihnen ausgelöst? Ich freue mich über Ihre Antworten und Erfahrungen sowie Ihre Fragen rund um das Thema Depressionen, Burnout-Prävention und Stressbewältigung – gerne hier als Kommentar unter dem Beitrag oder in einer E-Mail an info@ressourcenfokus.de.

 

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